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  • Eindrücke Kongress Tomorrwmind

    Eindrücke Kongress Tomorrwmind

    Was wäre, wenn wir damit aufhören würden, Menschen passend zu machen? 1)

    10. bis 12. November 2023 in Wien

    Ich konnte mich in diesen drei Tagen davon überzeugen, wie sich die „Positive Psychologie“ weiterentwickelt und wie eindrucksvoll sie bereits in die Praxis Einzug gehalten hat. Ich denke dabei vor allem an das von Martin Seligmann entwickelte P-E-R-M-A-Modell, das unter dem Namen PERMA-Lead in der Führungspraxis vieler österreichischer Unternehmen bereits erfolgreich zur Anwendung kommt. Markus Ebner nannte in seinem Vortrag 28 davon.2)

    Im Buch „Flourish“ stellte der amerikanische Psychologe Martin Seligman1) 2011 mit dem PERMA-Modell seine neue Theorie des Wohlbefindens vor. Er definierte die fünf Merkmale „Positive Emotions“(P), „Engagement“ (E), „Relationships“ (R), „Meaning“ (M) und “Accomplishment“ (A), als Grundlage für das Aufblühen von Menschen. Er wählte damit messbare und beeinflussbare Faktoren als Basis für ein gelingendes Leben und ermöglichte, dass die entsprechende Forschung systematisiert werden konnte.

    Markus Ebner entwickelte daraus das PERMA-Lead®-Modell2), das Positive Leadership-Führungs-verhalten beschreibt. Es zielt darauf ab, dass die Führungskraft aktiv für ein Arbeitsklima sorgt, das die Potenzialentfaltung bei den Mitarbeitenden fördert. Dieser Führungsstil erkennt und nützt die individuellen Stärken der Mitarbeitenden, anstatt überwiegend Schwächen in den Vordergrund zu stellen.

    Dadurch kommt es zu einer Win-Win-Situation: Das Unternehmen profitiert gleichermassen wie Führungskräfte und Mitarbeitende. Es handelt sich daher um einen Führungsstil, bei dem es darum geht, den heutigen Anforderungen in Organisationen nicht nur gerecht zu werden, sondern an ihnen zu wachsen und sich sowie seine Mitarbeitenden weiterzuentwickeln.

    M. Ebner: Mit Positive Leadership in die Zukunft Führen! Vortrag, 11.11.2023 in Wien

    Positive Emotionen3)

    Hier geht es darum, wie sehr Führungskräfte aktiv positive Emotionen bei ihren Mitarbeitenden fördern.

    Positive Emotionen stärken. Sie unterstützen dabei, Problemdenken zu vermindern und erhöhen massgeblich die Lösungsorientierung. Sie erweitern die Wahrnehmung, führen zu einem besseren Aufbau von Ressourcen, erhöhen die Arbeitsleistung und verbessern das Arbeitsklima in Teams. Positive Emotionen bei Mitarbeitenden wirken sich nachweislich auf die Loyalität der Kunden und Kundinnen aus. Zahlreiche Studien zeigen, dass positive Emotionen einen messbaren stärkenden Einfluss auf das Immunsystem haben und somit gesundheitsförderlich sind.

    Was tragen Sie dazu bei, dass Ihre Mitarbeitenden sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, zufrieden sind und auch Spass bei der Arbeit haben?

    Engagement

    Diese Dimension beschreibt, wie sehr Führungskräfte individuelles Engagement bei ihren Mitarbeitenden fördern. Im Detail geht es darum, wie sie ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, eigene Fähigkeiten zu erkennen, bei der Verteilung der Aufgaben die individuellen Stärken der Mitarbeitenden berücksichtigen und ihnen helfen, ihre Stärken weiter auszubauen.

    Mitarbeitende, die erleben, dass ihre Stärken wahrgenommen und eingebracht werden können, bleiben mit grösserer Wahrscheinlichkeit im Unternehmen, sind signifikant motivierter, machen ihre Kundinnen und Kunden zufriedener, zeigen weniger unternehmensschädigendes Verhalten, engagieren sich überdurchschnittlich und sind generell mit ihrem Leben zufriedener. Stärkenorientierung ist eine der wesentlichen Elemente von Positive Leadership.

    Wie fördern Sie das individuelle Engagement Ihrer Mitarbeitenden?

    Relationships (Tragfähige Beziehungen)

    Diese Dimension beschreibt, wie sehr die Führungskraft für tragfähige Beziehungen innerhalb des Teams sorgt. Im Detail geht es darum, wie sehr sie darauf achtet, dass sich die Mitarbeitenden gegenseitig unterstützen, wertschätzend miteinander umgehen und was sie dazu beiträgt, dass sich jede/r als Teil des Teams erlebt.

    Die Beziehungsqualität innerhalb eines Arbeitsteams hat unzählige positive bzw. negative Auswirkungen. So wird bei positiven Beziehungen beispielsweise verstärkt kooperatives Verhalten sichtbar und es werden auch mehr Informationen geteilt, was den Teamerfolg massgeblich beeinflusst. Die Fähigkeit, selbstständig Probleme zu lösen, steigt.

    Die Mitarbeitenden können sich in ihrer Freizeit besser erholen. Zudem ist auch die Resilienz der einzelnen Teammitglieder ausgeprägter.

    Wie sorgen Sie für tragfähige Beziehungen in Ihrem Unternehmen?

    Meaning (Sinn in der Arbeit)

    Diese Dimension beschreibt, wie sehr die Führungskräfte dazu beitragen, dass ihre Mitarbeitenden ihre Arbeit als sinnvoll erleben. Im Detail geht es darum, wie sehr sie ihren Mitarbeitenden vermitteln, dass sie wertvolle Arbeit leisten, Sinn in ihrer Arbeit erleben und auch wissen, wie wichtig ihre Arbeit für das Unternehmen bzw. die Abteilung ist.

    Wenn die Arbeit als sinnvoll erlebt wird, hat das zahlreiche positive Auswirkungen. Das Engagement und die Leistung steigen dadurch signifikant, die Qualität der Arbeit erhöht sich und die Arbeitsbedingungen werden von den Mitarbeitenden besser bewertet. Zudem werden positive Emotionen verstärkt, die Motivation ist höher und das Stresserleben sowie die Wahrscheinlichkeit an einer Depression zu erkranken sinken messbar.

    Was tragen Sie dazu bei, dass Ihre Mitarbeitenden ihre Arbeit als sinnvoll erleben?

    Accomplishment (Macht erreichtes sichtbar)

    Diese Dimension beschreibt, wie sehr die Führungskräfte sichtbar machen, wenn etwas erreicht wurde. Es geht darum, wie oft sie ihren Mitarbeitenden positives Feedback geben, sie loben und sich mit ihnen freuen, wenn ein (Teil-)Ziel erreicht wurde.

    Die Aufmerksamkeit darauf zu richten, was erreicht wurde, ist ein zentrales Führungsverhalten von Positive Leadership. Es wirkt sich positiv auf die Selbstwahrnehmung aus, was wiederum dazu führt, dass sich Leistung und Gesundheit der Mitarbeitenden verbessern, die Fluktuation sinkt und das Durchhaltevermögen steigt. Weiters erhöht sich die Lernfähigkeit sowie die Arbeitszufriedenheit und sogar die generelle Lebenseinstellung wird optimistischer. Dieser Blickwinkel stärkt nachweislich die Einschätzung der Mitarbeitenden, auch zukünftigen Aufgaben gewachsen zu sein.

    Wie oft und auf welche Weise machen Sie sichtbar, dass etwas von Ihnen oder Ihren Mitarbeitenden erreicht wurde?

    Zahlreiche Studien belegen die Positive Wirkung dieses Führungsstils.

    Hier einige Beispiele:

    Auswirkung von PERMA in Teams auf den Verkauf

    M. Ebner: Mit Positive Leadership in die Zukunft Führen! Vortrag, 11.11.2023, Wien
    Diese Studie zeigt, wie sehr die Verkaufsmenge bei Positivem Leadership-Verhalten steigt.

    PERMA-Lead und Fluktuation

    Diese Studie zeigt, dass die Fluktuation drastisch sinkt, je mehr Positive Leadership in der Organisation gelebt wird.

    Quellen

    1. Den Seligmann, M.E.P. (2011): Flourish. Wie Menschen aufblühen. Die Positive Psychologie des gelingenden Lebens
    2. Ebner, M. (2023): Mit Positive Leadership in die Zukunft Führen! Vortrag am Kongress Tomorrowmind, 11.11.2023, Wien
    3. Nach: Ebner-Team GmbH, PERMA-Lead 360° Feedback, 2022
  • Was wir in Zeiten der Krise tun können

    Was wir in Zeiten der Krise tun können

    Wenn ich mit meinen Kunden und auch mit meinen Freunden über ihre aktuellen Situationen austausche, höre ich sehr unterschiedliche Beschreibungen:

    Einzelne freuen sich über die Verlangsamung und über die geschenkte Zeit, um bei dem schönen Wetter den Garten zu geniessen, zu lesen, einen Artikel zu schreiben, für die eigene Fitness zu sorgen und mehr Zeit mit der Familie zu verbringen. Andere befinden sich in grossem Stress zu Hause im Homeoffice, in zahlreichen Videokonferenzen, haben das aufwändige Homeschooling zu bewältigen, die Kinder bei Laune zu halten und die Familie mit Essen zu versorgen. Wieder andere stecken in grossen Sorgen, ob sie ihr Unternehmen mit Kurzarbeit gut am Leben erhalten können. Und die zahlreichen Menschen im Gesundheits- und Altersbereich bemühen sich darum, einen passenden Umgang mit dem Covid-19-Virus zu finden, um kranken und alten Menschen in Isolation eine professionelle und zugewandte Pflege und Unterstützung zukommen zu lassen – arbeiten bis zur Leistungsgrenze, permanent der Ansteckungsgefahr ausgesetzt. Und schliesslich höre ich von Menschen in Isolation, in banger Hoffnung, ob sie den Virus überleben werden.

    Wir befinden uns seit Wochen in einer Ausnahmesituation, die wir so noch nicht erlebt haben. Corona hat sich von einer entfernten Gefahr zu einer akuten Pandemie entwickelt, die massive Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft mit sich bringt. Diese ernste Situation befeuert Emotionen, die wir unter Kontrolle bringen müssen, um weiterhin klug entscheiden und handeln zu können. Wir befinden uns im «Vor-Sicht-Modus», täglich darum bemüht, ein der Situation angemessenes Verhalten zu entwickeln. Die genutzte Technik ist zwar hilfreich, im Wesentlichen geht es aber um unser Verhalten – um Beobachten, Experimentieren und darum, im Denken, Fühlen, Wollen und Tun Neues zu ermöglichen. Radikalität wird sichtbar und wir staunen, was alles in kurzer Zeit möglich ist: Engpässe werden ausgeglichen, Verzicht wird in erstaunlichen Situationen möglich, Hilfe wird in grossem Ausmass mobilisiert, Chancen werden wahrgenommen und neue Erkenntnisse herbeiexperimentiert.

    IN SOLCH HERAUSFORDERNDEN ZEITEN IST DIE WIDERSTANDSKRAFT DER MENSCHEN, UNSERE RESILIENZ GEFORDERT.

    Für die einzelnen Menschen bedeutet das, sich den grossen Herausforderungen und Ängsten zu stellen, sie anzunehmen und den Blick für neue Möglichkeiten zu öffnen. Dazu muss es immer wieder gelingen, nicht im ängstlichen Gedankenkarussell stecken zu bleiben, sich gut und schnell erholen zu können, unkonventionelle gedankliche Verbindungen zuzulassen und sich kreativen Ideen zu öffnen.

    Organisationale Resilienz fokussiert neben den eingespielten Routinen, neben Erfolgs-, Wachstums- und Effizienzbestrebungen auf die Beobachtung der neuen Phänomene, auf das Stellen von Fragen, auf Reflexion und Flexibilisierung. Gleichzeitig gewinnt die Fähigkeit der Mitarbeitenden, in einen schnellen, ehrlichen Austausch zu kommen, die gemeinsame Reflexion, die Regenerationsfähigkeit und die Beobachtung von Belastungsgrenzen an eminenter Bedeutung.

    Ich nehme wahr, wie in Organisationen achtsames Führen wichtig wird – präsent, im intensiven Austausch, mit klaren einfachen Regeln aber sehr reflexiv (auch wenn das weitgehend nur über Distanz möglich ist). Menschen, die Halt geben und Orientierung schaffen, werden bedeutsam.

    In diesem Zusammenhang gewinnt eine schon recht alte Methode* wieder an Bedeutung: die Achtsamkeit. Achtsamkeit zeigt sich als Gewinn für Unternehmen und Mitarbeitende.

    WAS IST ACHTSAMKEIT?

    Achtsamkeit ist eine besondere Form der Aufmerksamkeit. Achtsamkeit bedeutet Bewusstheit oder auch Geistesgegenwart. Wir nehmen wahr, was jetzt passiert, in einer sehr dem Leben zugewandten Art. Unsere Haltung ist dabei von Interesse und Neugier geprägt. Wir sind nicht im Widerstand mit dem, was wir erleben.

    Ist Ihnen aufgefallen, wie schnell sich die Natur in den letzten Wochen entwickelt hat? Anfangs gab es auf den Bäumen noch keine Blätter; heute blühen Tulpen, Forsythien, Zier- und Obstbäume und Flieder, fast alle Laubbäume sind beblättert. Antworten Sie jetzt: „Sowieso, ist ja nicht zu übersehen!“ oder „War ja auch schon Zeit!“ oder antworten Sie jetzt: „Ja, ich habe es ganz bewusst wahrgenommen und mich täglich darüber gefreut!“?

    Scheinbar selbstverständliche Dinge achtsam wahrzunehmen bzw. Tätigkeiten achtsam durchzuführen ist in unserem Alltag gar nicht einfach. Wir laufen oft im „Autopilot-Modus“, der ja in vielen Dingen auch sehr hilfreich ist: So müssen wir z.B. beim Autofahren nicht über jeden einzelnen Blick, Handgriff oder die korrekte Pedalbetätigung nachdenken. Auch im Berufsleben funktionieren wir routiniert und primär rational: vergleichen, abwägen, analysieren, bewerten, kategorisieren, gegenüberstellen, prüfen, messen, delegieren … da bleibt einfach keine Zeit für Achtsamkeit, wozu auch? Es läuft ja wunderbar so!

    Aber egal ob privat oder beruflich: Je mehr wir uns dazu verführen lassen, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun und in Gedanken jeweils schon zwei Schritte voraus (oder bei etwas ganz anderem) zu sein, desto größer wird die Gefahr von Stress, Hektik und Unzufriedenheit. Unser Gehirn kann sich nur mit einer Sache gleichzeitig beschäftigen. Daher schalten wir beim Multitasking ständig zwischen verschiedenen Netzwerken im Gehirn hin und her. Langfristig verlieren wir beim Multitasking unsere tiefe Konzentrationsfähigkeit. Und langfristig können uns Stress, Hektik und Unzufriedenheit sogar krank machen. In Zeiten wie diesen kommt bei vielen Menschen noch Angst hinzu.

    Achtsamkeit kann in herausfordernden Lebenssituationen sehr gut dabei unterstützen, Widerstandskraft, Gelassenheit und Vertrauen in die eigenen Ressourcen aufzubauen.

    Beobachtungsdistanz

    Mit Achtsamkeit lernen wir, eine Beobachtungsdistanz aufzubauen. Zwischen uns selbst – und unseren Gedanken und Situationen. Wir erleben, dass Gedanken kommen und gehen – wenn wir sie loslassen. Und dass wir unseren Gedanken nicht immer glauben müssen. Es ist enorm hilfreich, sagen zu können: „Da war ein Gedanke, dass ich Angst haben sollte.“ Alternativ kann man auch sagen: „Ein Teil von mir hat Angst.“

    Damit desidentifiziert man sich von dem Gefühl und den daraus resultierenden Reaktionen. Man verdrängt die Angst nicht. Nimmt sie aber auch nicht als die einzige Wahrheit: Ein Teil von mir hat Angst, ein anderer Teil ist ganz zuversichtlich.

    Das heisst, ich nehme wahr, was im Hier und jetzt passiert, denke mit und bin mir meiner Emotionen, meines Körpers, des Kontextes bewusst – ohne Widerstand, ohne Abwehr, ohne Wertung. Das bedeutet nicht, mit allem einverstanden zu sein und das bedeutet auch nicht, Geschehnisse oder Bedrohungen zu leugnen. Wir nehmen wahr, was ist und erhalten Zugang zu unseren geistigen Potentialen. Unsere Wahlfreiheit steigt. In unserem Gehirn ist damit das limbische System (emotionales Gehirnareal) weniger aktiv, wir reagieren stärker aus unserem Frontalhirn.

    WAS BRINGT UNS ACHTSAMKEIT?

    Regelmässige Achtsamkeitsübungen und Meditieren sind einfach und haben viele positive Auswirkungen auf unseren Geist und unseren Körper. Wir werden selbstbewusster, fokussierter, konzentrierter und energetischer. Wir gewinnen an innerer Stärke und Wachheit, während wir uns gleichzeitig entspannen.

    Achtsamkeitsübungen helfen ausserdem…

    … herunterzukommen, wenn wir gestresst sind,
    … unsere Ängste besser in den Griff zu bekommen,
    … schlechte Gefühle und Gedanken abzufedern und positiver durchs Leben zu gehen.

    Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass bereits nach 8 Wochen regelmässiger Übung die Gehirnstruktur umgebaut ist:

    • Es gibt höhere Aktivität im linken präfrontalen Cortex (Glückserleben).
    • Der Hyppocampus (Nervenzellfabrik, zuständig für die Verarbeitung von Emotionen und Lernprozessen, Schaltstelle zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis) wächst und verästelt sich besser.
    • Die Amygdala (Angstzentrum) verkleinert sich.
    • Schmerzen reduzieren sich.
    • Bluthochdruck normalisiert sich.
    • Und das Immunsystem verbessert sich.

    Unternehmen wie Google und SAP haben bereits zehntausende Ihrer Mitarbeitenden an Achtsamkeitsseminaren teilnehmen lassen. Sowohl die Teilnehmenden als auch die Unternehmen berichten von signifikanten und messbaren Veränderungen im persönlichen Wohlempfinden, im Umgang mit Stress, in der kreativen und intuitiven Problemlösungsfähigkeit und in der Zusammenarbeit. Die Trainings führten auch zu einer Erhöhung der Produktivität, zu geringeren Krankenraten und erhöhter Mitarbeitendenzufriedenheit.

    WIE LERNEN WIR ACHTSAMKEIT?

    Es lässt sich eine formelle und eine informelle Praxis unterscheiden.

    Die formelle Praxis
    Was regelmässiges Fitness-Training für unseren Körper, ist Meditation für unseren Geist. Meditation kultiviert präsent zu sein.

    Ort und Sitzposition:
    Wir müssen dazu auch nicht den Schneidersitz einnehmen. Wir können auf einem Stuhl sitzen oder auf einem Ball, ein Meditationshocker und -kissen sind ebenfalls willkommen. Es geht darum, dass wir eine Haltung finden, in der wir möglichst ruhig, wach und entspannt sein können. Ein aufrechter Rücken bewirkt, dass sich die Brust öffnet, wir frei atmen können und ein ungehinderter Energiefluss zustande kommt. Der Platz sollte ruhig, ungestört und angenehm sein (Handy still schalten).

    Meditation:
    Wir starten damit, uns auf die Atmung zu konzentrieren. Dabei spüren wir immer wieder, dass unser Geist abschweift. Wenn Gedanken und Gefühle entstehen, nehmen wir sie wahr ohne zu analysieren oder zu bewerten. Wir unterdrücken weder Gefühle noch Gedanken, sondern betrachten sie, wie sie von Moment zu Moment entstehen. Wir nehmen wahr und kommen wieder zum Atem zurück. Wir tun das mit einer Haltung von Offenheit und Neugierde. Alle Gedanken, die auftauchen sind willkommen – wir lassen sie wieder ziehen.

    Der Schlüssel der Achtsamkeitspraxis liegt nicht so sehr im Objekt unserer Aufmerksamkeit, sondern in der Qualität der Aufmerksamkeit, die wir jedem Moment entgegenbringen. Ausserordentlich wichtig ist, dass die Aufmerksamkeit einem stillen Zusehen, einem unparteiischen Beobachten gleicht, das nicht bewertet oder die inneren Erfahrungen ständig kommentiert. Ein reines, urteilsfreies Wahrnehmen der Moment-zu-Moment-Erfahrung hilft uns zu sehen, was in unserem Geist geschieht, ohne dies zu verändern oder zu zensurieren, ohne es zu intellektualisieren oder uns in unaufhörlichem Denken zu verlieren.

    Wir starten mit 5 Minuten und erhöhen langsam auf 10 Minuten täglich. Ein Wecker oder eine Sanduhr sind dabei hilfreich. Wir finden zu einer Zeitspanne, die für uns stimmig ist. Und so trainieren wir unseren Geist, ohne das Leben komplett auf den Kopf stellen zu müssen – vergleichbar mit unserem Körper beim Fitness-Training verändert sich unser Geist durch die Meditation.

    Die informelle Praxis
    Das ist eine spezifische Art in der Welt zu sein und in Kontakt zu treten. Wir können in jeder Sekunde unseres Lebens üben, indem wir im Augenblick präsent sind und bewusst wahrnehmen: Ich sitze gerade, höre ich noch zu oder blicke ich aus dem Fenster und denke, was mache ich heute Abend? Wir können bei jeder Tätigkeit in den Modus der Achtsamkeit schalten. Das, was uns häufig schwerfällt, ist uns daran zu erinnern. Wir schweifen sehr schnell ab.

    Was können wir tun, um die Erinnerungen zu schaffen, damit Achtsamkeit Teil des täglichen Handelns wird? Um uns daran zu erinnern, sind physische Erinnerungen sehr hilfreich: ein gelber Punkt auf dem Notebook, ein Achtsamkeitsgong am Handy, eine Achtsamkeitserinnerung im Kalender, ein Erinnerungssymbol am Schreibtisch – heute schon durchgeatmet?

    Oder: Eine Tätigkeit suchen, die wir ganz bewusst machen wollen: abwaschen, Kind zu Bett bringen, Zähneputzen. Am besten eine, die Sie gerne machen. Der Körper hilft dabei: Wie fühlt es sich an, wie Sie jetzt sitzen…?

    Um körperlich fit zu bleiben, gehen wir die Treppen hoch anstatt mit dem Lift zu fahren, um den Geist zu beruhigen und fit zu halten, integrieren wir Achtsamkeit in unseren Alltag.

    Wenn Sie sich und ihrer Gesundheit etwas Gutes tun wollen, hier eine kleine Übung: Halten Sie immer wieder kurz inne, atmen Sie drei Mal im eigenen Rhythmus tief durch, spüren Sie Ihre Füsse am Boden und nehmen Sie wahr, was gerade ist… Und was um Sie herum ist: Welche Details gibt es in ihrer Umgebung…? Wie riecht es…? Was ist zu hören…? Was fühlen Sie gerade jetzt…? Kommen Sie (immer wieder) in Kontakt mit sich selbst und genießen Sie die Augenblicke der Achtsamkeit, z.B. die blühenden Bäume, die warme Frühlingsluft oder auch die Antwort der Kollegin am Montagmorgen, als Sie gefragt haben: „Wie war das Wochenende?“ Es gibt nichts zu tun und nichts zu erreichen. Sie machen eine kleine Pause.

    Hier sind einige Apps zur Unterstützung Ihrer Meditation: z.B. 7Mind, Calm, Headspace.

    Die aktuelle Situation des Lockdown ist herausfordernd und für viele Menschen schwierig zu ertragen. Sie stellt aber auch eine Chance dar, eine Praxis der Achtsamkeit in unseren Alltag zu integrieren, die uns auch für die Zukunft resilienter macht.

    *Die Wurzeln der Achtsamkeitspraxis liegen in den zweieinhalbtausend Jahre alten buddhistischen Lehren. Dass wir ihre heilsamen Grundlagen und Übungen in einem säkularen Kontext nutzen können, haben wir vor allem dem Medizinprofessor Dr. Jon Kabat-Zinn zu verdanken. Ende der 1970er-Jahre entwickelte der an der University of Massachusetts ein achtwöchiges medizinesch Programm mit dem Namen MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction). Das Programm baut auf den Übungen der buddhistischen Achstamkeitspraxis und den Erkenntnissen von Verhaltensmedizin und modernen Neurowisschenschaften auf.

    Im Zuge der wissenschaftlichen Erforschung dieses weltanschaulich neutralen Programms wurden die heilsamen körperlichen und psychischen Wirkungen der Achtsamkeitspraxis und der dazugehörigen meditativen Übungen bestätigt.

    Weiterführende Literatur:

    1. Detlief Beeker (2020): Meditation leicht gemacht: Wie du maximale Entspannung findest, Stress bewältigst und Ängste löst. Meditieren lernen mit 10 abwechslungsreichen Meditationen für mehr Energie
    2. Glück, Andreas: Die Gesellschaft der Singularitäten – Zum Strukturwandel der Moderne, Berlin 2017
    3. Jon Kabat-Zinn, Horst Kappen (2013): Gesund durch Meditation: Das grosse Buch der Selbstheilung mit MBSR
    4. Jon Kabat-Zinn (2010): Die MBSR-Yogaübungen: Stressbewältigung durch Achtsamkeit; Kommentiertes Hörbuch
    5. Jon Kabat-Zinn, Reinhard Eichelbeck (2014): Stressbewältigung durch die Praxis der Achtsamkeit, Hörbuch
    6. Jack Kornfield, Reinhard Eichelbeck (2015): Meditation für Anfänger: mit 6 geführten Audiomeditationen für Einsicht, innere Klarheit und Mitempfinden.
    7. Sarah Lehm (2017): Meditation lernen: So einfach verschaffen Sie sich mehr Ausgeglichenheit, Gelassenheit und Energie für den Alltag
    8. Sebastian Purps-Pardigol (2016): Führen mit Hirn: Mitarbeiter begeistern und Unternehmenserfolg steigern
    9. Chade-Meng Tan, Andrea Panster (2012): Search Inside Yourself: Das etwas andere Glücks-Coaching
  • Den guten Dingen auf der  Spur …

    Den guten Dingen auf der Spur …

    Aufbau mentaler Widerstandskraft.

    Wir denken – gerade im Kontext der Arbeit – viel öfter darüber nach, was falsch und schlecht läuft, wo wir uns verbessern könnten oder vielleicht sogar sollten. Wir sehen überall Defizite und vergleichen uns gerne mit denen, die besser sind.

    Und wir berücksichtigen bei dieser Betrachtung nicht, dass sie schon zehn Jahre mehr Erfahrung bei genau dieser Sache oder dieser Aufgabe haben.

    Natürlich ist es sinnvoll, seine Fehler zu analysieren und zu schauen, wie es beim nächsten Mal besser geht („Fehler“ sind gleichzeitig auch „Helfer“). Allein die Dosis macht das Gift (frei nach Paracelsus).

    Es gibt Menschen, die eher „das halb volle Glas“ sehen und sich über viele kleine Dinge freuen können und auch andere, die sich immer wieder auf „das halb leere Glas“ beziehen, darüber nachdenken, sich darüber ärgern, sich darüber beschweren oder traurig sind.

    Irgendwann ist es genug mit dem Vertiefen in Fehler, Probleme und die schlechten Dinge im Leben. Zu viel ist Gift und kann zu Angstzuständen und Depression führen.

    Um sich nicht den Kopf über die Frage „Was ist denn zu viel?“ zu zerbrechen, sondern dieser auf das Negative fokussierenden Tendenz unseres Gehirns etwas entgegenzusetzen, gibt es eine wunderbare Übung, die sich genau mit dem beschäftigt, was gut läuft.

    Martin Seligman1 entwickelte diese Übung im Rahmen seiner Positiven Psychologie. Es geht dabei darum, dass Sie täglich vor dem Zubettgehen 10 Minuten dafür reservieren, vier Fragen zu reflektieren und kurze Stichworte dazu zu dokumentieren. Das Aufschreiben ist dabei sehr wichtig.

    Die 4 Evening-Questions lauten:

    1. Was hat mir heute Freude bereitet? Und warum? Nennen Sie 3 Dinge bzw. Ereignisse
    2. Wo habe ich mich heute lebendig gefühlt?
    3. Wofür und wem kann ich heute dankbar sein?
    4. Welche Stärken konnte ich heute ausleben?

    Zur Wirkung der 4-Evening-Questions

    Die Wirkung einer positiven Tagesrückschau als Technik der Positiven Psychologie ist mehrfach belegt. Z.B. zeigt eine qualitative Studie von Markus Ebner2 anhand einer Stichprobe von 74 Personen, welche Erfahrungen Menschen bei dieser Übung machen. Dazu wurden die Studienteilnehmer/innen angeleitet, über einen Zeitraum von zwei Wochen jeden Abend ihren Tag anhand der 4-Evening-Questions zu reflektieren. Anschließend wurden die individuellen Erfahrungen erhoben und qualitativ ausgewertet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Übung

    • zu einer Sensibilisierung der Wahrnehmung sowie
    • zu einer Veränderung der Wahrnehmung von Alltagssituationen und einer daraus folgenden Änderung der Interpretationen von Situationen und Handlungen führt.
    • Wertigkeiten werden klarer.
    • Viele Teilnehmer/innen berichteten in diesem Zusammenhang, dass die Gegenwart anders „gescannt“ wurde und sie daraus resultierend mehr Positives wie Wertschätzung, Erkennen von Stärken oder Dankbarkeit erlebten, was wiederum zu Verhaltensänderungen führte. Somit hatten sie ein Werkzeug, um direkt in den Kreislauf der selbsterfüllenden Prophezeiung3 einzugreifen und die Eigenkompetenz zur Selbststeuerung zu erleben.

    Die Ergebnisse machen deutlich, dass diese Technik in vielen Fällen ein Pull-Verhalten („hin zu“), also ein gezieltes Aufsuchen von stärkenden Situationen auslöst.

    Gleichzeitig berichten viele Teilnehmer/innen von einem Push-Verhalten („weg von“), indem unangenehme Situationen bewusster dahingehend reflektiert wurden, ob und wie sie vermeidbar sind. Somit kommt es zu einer Aufwärtsspirale: Es werden vermehrt positive und stärkende Beobachtungen gemacht, diese führen zu einer Veränderung der Wahrnehmung und zu einem für die Person günstigen Push- bzw. Pull-Verhalten. Menschen erkennen dadurch einerseits ihre eigenen Lebensgestaltungsmöglichkeiten und erleben dadurch andererseits vermehrt positive Situationen.

    Das führt wiederum zu vermehrten positiven und stärkenden Beobachtungen.

    Ich kann die Übung wärmstens empfehlen und wünsche Ihnen gutes Gelingen und Freude damit. Bitte melden Sie sich, wenn Sie die detaillierte Beschreibung der gesamten Übung nutzen wollen. Wir werden Sie Ihnen umgehend zukommen lassen.

    Quellen:

    1. vgl. Seligman, M.E. (2012): Flourish. Wie Menschen aufblühen. Die positive Psychologie des gelingenden Lebens. München, Kösel-Verlag. Vgl. auch: Ebner, M. (2017): 4-Evening-Questions: eine einfache Technik mit tiefgreifender Wirkung. Eine qualitative Studie in OSC Springer 2017(3), S. 269 – 282.
    2. vgl. Ebner, M. (2017): 4-Evenig-Questions: eine einfache Technik mit tiefgreifender Wirkung. Eine qualitative Studie in OSC Springer 2017(3), S. 278 f.
    3. vgl. Watzlawick, P. (1984): Self-fulfilling prophecies. In J. O’Brien (Hrsg.), The production of reality: essays and readings on social interaction (S. 392 – 408). Los Angeles, SAGE.
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